(Kees Boeke war
der Gründer der Werkplaats GemeinschaftsSchule in Holland, wo drei von Königin Juliana's
Kinder ihre frühe Ausbildung bekamen. Am Ende des letzten Krieges war er verhaftet von
den Deutschen weil er Juden verbarg, und in seiner Tasche wurde eine Deklaration gefunden,
getitelt "Keine Diktatur", was ihn fast seinen Leben kostete. Es war ein Entwurf
für eine neue demokratische Gesellschaft, sich basierend auf den Erfahrungen seiner
Schule und auf den Treffen der Quaker. Dieser Artikel ist eine verkürzte Version von
einer späteren Brochüre.)
Soziokratie
(oder Gemeinschaftsdemokratie)
WAS HABEN WIR GELERNT...?
UND WIE NUN WEITER?
KEINE DIKTATUR!
Die schrecklichen Jahre, die hinter uns liegen*, haben uns allen,
selbst denen die am meisten hinters Licht geführt waren, sicher gelernt, daß Diktatur
keine Lösung schafft für das Problem der Gemeinschaftsordnung. Vor 1940 fühlten
sehr viele unter uns die Unzulänglichkeit des parlamentarischen Systems. Manche
verlangten nach einer stärkeren einköpfigen Regierung. Doch nun, nachdem wir das
miterlebt haben, werden sicher alle sagen: Das nie wieder! Wir sind in
de letzten Jahren zu oft überrumpelt worden durch Verordnungen, die uns ohne
weiteres mitgeteilt wurden, ohne vorherige Beratungen. Wir haben gesehen, wie Macht
misbraucht wurde, wie viele unserer besten Leute gefangen genommen wurden, ja sogar
exekutiert wurden, ohne jegliche Form von Prozeß, ohne die Möglichkeit, ein höheres
Gericht anzurufen. Wir waren Zeugen der sinnlosen und unmenschlichen Mißhandlung der
Juden. Wir haben gesehen, wie alle Freiheit verschwand: die Freiheit von Versammlungen,
vom Sprechen, vom Gewissen. Wir haben Kunst und Wissenschaft verkümmern sehen, und die
höchsten Kulturwerte antasten sehen. Wir haben gemerkt, wie die Schlechtesten als Schaum
an die Oberfläche kamen und wie die Besten unterdrückt wurden, oft gefolterd.
*Kees Boeke schrieb dies gegen Ende de zweiten
Weltkrieges
Auch haben wir gemerkt, daß Zwang sehr schnell Widerstandsbewegungen
hervorruft; ebenso wie Umgehungen, Unehrlichkeit und Betrug auf allen Ebenen. Wir haben
gesehen wie Unsittlichkeit auf beunruhigende Weise zugenommen hat, und wir haben uns
erstaunt über die große Schnelligkeit, in der sich die Prozesse des Verfalls und
Entartung entwickelten, wenn das Gemeinschaftsleben unzutreffend geregelt wird. Auch haben
wir gesehen, wie notwendig es ist, daß die menschlichen Triebe wie: Sadismus und
Egoismus-im-Allgemeinen gezügelt werden müssen. Denn wir sahen, wie Monster losbrachen,
sobald sich ihnen durch schlechte Führung die Gelegenheit bot. Eine eigenartige Lektion,
die uns auch zeigte, daß selbst die schlimmsten Bedrohungen und die schärfsten
Abschreckungen nicht genug sind, um einen Menschen von seinen Untaten abzuhalten. Und so
weist alles in die Richtung von soviel wie möglich vermeiden von Zwang, unter
Bewahrung von wirklicher realer Ordnung und Verordnung.
AUCH KEIN (ÜBLICHER) PARLAMENTARISMUS*
(PARTEIENSYSTEM)
Müssen wir denn wieder zurück zu den Zuständen von vor 1940, also
nach der parlamentären Demokratie? Ich antworte: Nein, auch jene war nicht ideal. Sie
hat zu einer grauenhaften Verteilung unserer Volkseinheit geführt, die wir am besten
Zersplitterung nennen können, wenn wir an die außergewöhnlich hohe Anzahl großer und
kleiner Parteien denken, die sich bei den letzten Wahlen formierten. Wir denken mit
Schrecken zurück an die endlosen Debatten in den Kammern, an die vielen Demagogien und
Reden-auf-den-Tribunen, an die Machtlosigkeit der Regierungen, infolge des Systems, in dem
die Zahl regiert. Wenn die Mehrheit zwingen kann, liegt es auf der Hand, daß oftmals die
Gruppenbelange vorgehen. Denn leider ist es häufig so, daß die Mehrheit eher auf
Eigenbelang, oder die Belange der eigenen Gruppe gerichtet ist. Außdem ist die Mehrheit
noch unterentwickelt, sodaß wir, wenn wir sie regieren lassen, nicht unbedingt die
Sicherheit haben, daß die Ordnung durch die Uneigennützige und meist fähige Personen
geleitet werden wird.
* Kees Boeke meint der Parlementarismus wie es vor dem Krieg
gegeben hatte. Er ist nicht gegen die Demokratie als solches. Im Gegenteil! Er schlägt ja
vor die ganze Gesellschaft von "Räten" - also parlementarische
Entscheidungskörper auf allen Ebenen - regieren zu lassen. Das was ich
"GemeinschaftsDemokratie" nenne.
Politische Parteien raus, mehr Demokratie rein
Auch wenn ich die Gefahren und Mängel des parlamentarischen Systems
noch so deutlich seh, ist mir klar, daß die Regierung nicht anders kan als wie bisher;
nämlich durch Wahlen eine neue Volksvertretung zu formieren. Und... wir sollten alle
dankbar sein, daß die Regierung mehrmals angekündigd hat, daß sie so schnell wie
möglich wieder eine demokratische Regierung schaffen will. Solange es keine anerkannte
dritte Lösung gibt, ist es unvermeidlich, daß diese Methode wiederum angewandt wird.
DIE DRITTE LÖSUNG: SOZIOKRATIE
Es gibt jedoch noch eine dritte Möglichkeit, und es ist, daß
ich fest davon überzeugt bin, daß es Mittel und Wege hierfür gibt. Aus diesem Grunde
habe ich mich entschlossen, mich persönlich an alle denkenden Menschen zu richten, die
ich erreichen kann.
Diese dritte Lösung muß natürlich demokratisch sein, in
dem Sinne, daß sie uns, gewöhnliche Individuen des Volkes, die Gelegenheit bietet,
mitverantwortlich zu sein in Beziehung auf die (Neu-)Ordnung des gesellschaftlichen
Lebens, und zugleich Teil zu haben an selbiger Führung. Es sollte jedoch keine Demokratie
sein, die auf Macht gegründet ist, sei es denn auch die Macht einer Mehrheit. Sondern
eine wirkliche Gemeinschafts-Demokratie; das ist die Ordnung einer Gemeinschaft
durch die Gemeinschaft, anders gesagt, ein Selbstdisziplin der Gemeinschaft.
Hierfür verwende ich den Ausdruck Soziokratie. Ein solches System ist von
geringem Wert, solange es nur auf theoretische Anweisungen beruht. Sein Wert wird
unmittelbar steigen, wenn die Ausübung seine Gediegenheit bewiesen hat. Jeder, der
einigermaßen England und Amerika-orientiert ist, kennt die
Gesellschaft/Genossenschaft der Freunde, oder die Quakers, wie sie genannt
werden. Diese haben, wie man weiß, in jenen Ländern sehr viel Einfluß, und wurden
weltweit bekannt durch ihre vielen und wertvollen Werke in Bezug auf praktischen sozialen
Gebieten. Diese Quakers nun, haben mehr als drei Jahrhunderte Erfahrung mit ihrem System
der Gemeinschaftsordnung, die auch jede Entscheidung auf Grund von Stimmenmehrheit
ablehnen und alle gemeinschaftlichen Aktionen basieren auf gegenseitige Übereinstimmung.
Aus eigener jahrelanger Erfahrung mit zunehmenden Gruppen Kinder und
älteren Leuten, kann ich bestätigen, daß die Anwendung eines solches Systemes möglich
ist auf Basis von völliger Erkennung vom Wohl-des-Anderen, als ebenso reell wie unser
eigenes Wohlergehen. Wenn wir beim suchen nach Lösungen für die Ordnung unseres
gesellschaftlichen Lebens, ausgehen von diesen einfachen Grundgedanken, entsteht von
selbst der Geist des guten Willens, der das Finden einer Lösung, die für alle
befriedigend ist, fördert; ja, wir könnten sagen Ein heiliger Geist, weil er
das Beste in Menschen hervorruft. Ich glaube, daß es derselbe Geist ist, der die Quakers
leitet, wenn sie nach Gottes Willen suchen. Wenn ich nun auf
Grund meiner eigenen praktischen Erfahrung davon erzeugt worden bin, daß es möglich ist,
in einer Gruppe, bestehend aus ein paar Hundert Personen aus allen möglichen Kreisen, von
Jung bis Alt, und mit den verschiedensten Überzeugungen, auf diese Weise harmonisch
zusammen zu arbeiten, glaube ich, daß es sehr wohl auch im größeren Kreise der
menschlichen Gesellschaft ausführbar sein könnte. Viele werden sehr skeptisch gegenüber
meinen Auslassungen sein. Der Grund dafür liegt wahrscheinlich darin, daß diese Leute
gewöhnt sind an Kreise, in denen letzten Endes immer die Mehrheit, oder eine bestimmte
Person Entscheidungen treffen, so daß sie nicht wissen, wie so ganz anders die
Atmosphäre wird, wenn die Leitung einer Gruppe auf sichselbst gegründet ist, und wenn
jeder weiß, daß man, nur wenn man eine Übereinstimmung erreicht, handeln kann. Bei der
Besprechung (regelmäßige Versammlungen der Gruppe) entsteht von selbst ein
intensives gemeinschaftliches Suchen nach einer versöhnenden Lösung, nach Einheit also,
und zugleich bekommen diejenigen die Leitung, denen alle vertrauen. Anders ausgedrückt:
Es wird sich dort eine geistliche Aristokratie formen, die über den Parteien steht.
Bei einer Durchführung dieses Systems über ein großes Gebiet mit
beträchtlich vielen Bewohnern, wird es notwendig sein, Abgeordnete oder Vertreter von
mehreren Besprechungenzusammen zufügen zu einer Besprechung höheren Ordens,
die sich über das größere Gebiet erstreckt. Dann wird es sich zeigen, daß jene, die am
wenigsten nach eigenen Belangen streben, und auch noch am fähigsten sind, von selbst als
Vertrauenspersonen abgeordnet werden in ein Kollegium mit weiteren Verantwortlichkeiten.
Wenn eine Gruppe keine Übereinstimmung erreichen kann in Beziehung auf die Abordnung
einer Vertrauensperson, sollte die Gruppe nicht in dem höheren Kollegium vertreten sein.
Also wird die Gruppe, auch in dieser Beziehung, mit allen Kräften nach Übereinstimmung
streben.
Natürlich kann diese Arbeitsweise nicht auferlegt werden, sie kann
jedoch angelernt werden: Technik und Grundzüge. Diese sollten von unten nach oben immer
mehr die Ganzheit der Gemeinschaftsordnung durchziehen. Ebenso wie das Technische des
parlementären Systems sich jahrelang auf Grund von Erfahrungen bis in alle Unterteile
entwickelt hat, könnte es im obrigen Fall genauso geschehen, je mehr Vertrauen in eine
soziokratische Ordnung entsteht und dieses Vertrauen zunimmt.
DIE NÖTIGE ERZIEHUNG DAZU
10. Als erstes ist es meines Erachtens nötig, eine bewußte Erziehung
in die Richtung zu erzielen. In der Schule von heute lernen die Kinder Gehorsam*. Die
große Gefahr hiervon hat sich vor noch nicht all zu langer Zeit gezeigt; gerade darum war
die Masse so einfach zu manipulieren durch die umsichgreifende Macht des Diktators. Nun
ist es nicht etwa so, daß Erziehung und Schulung auf Ungehorsamkeit und Rebellion
orientiert sein sollten. Doch dürfte es einige wichtige Aufgabe sein, um Initiativität,
soziale Denkweise (nicht nur ich sondern wir alle), Verantwortlichkeit tragen für die
Gruppe, usw. angelernt werden. Diese Komponente, die doch so wichtig sind für die
Entstehung einer angemessenen Ordnung der Gemeinschaft, sind bisher und werden immer noch
vernachlässigt bei der Erziehung unserer Kinder und Jugend. Darum sollten wir uns nicht
wundern, daß die Menschheit die so wichtige Kunst-des-Zusammenlebens und Zusammenarbeit
immer noch nicht nachleben, beziehungsweise gelernt haben. Auf Grund meiner Erfahrung habe
ich die feste Überzeugung, daß eine Kindergemeinschaft, wie jene die seit 1926 in
Bilthoven entwickelt worden ist, und die ich beschrieben habe in meinem Buch
Kindergemeinschaft(Utrecht 1934), alle Möglichkeiten für das
lernen-zusammen-zuleben und zusammen-zuarbeiten, bietet. Wenn nämlich Erziehung und
Bildung anstatt in Schulen in derartigen Kindergemeinschaften stattfinden würden, dann
wird sich herausstellen, daß die Gemeinschaft nach und nach fähig sein wird, sich dem
soziokratischem Weg zu ordnen.
*Ungekehrt: die totale Zügellosigkeit von heutzutage
ist genauso fatal.
ÜBERGANG VON (ÜBLICHER) PARLAMENTARISCHER
DEMOKRATIE ZU SOZIOKRATIE
11. Eine wichtige Frage nun ist, wie man das parlamentarische
System, wie wir es kennen, überbrücken kann und mehr und mehr in die soziokratische
Richtung zu leiten, wenn sowohl die Regierung als auch das Volk genügend Vertrauen
bekommen hat in eine derartige Ausführung.
12. Es sollte deutlich sein, daß hier keineswegs die Rede ist von
einer revolutionären Bewegung. Schließlich geht es darum, alles was nach Macht und Zwang
riecht, auszuschließen. Hier wird nicht die Macht durch Mehrheit gemeint, da auch dieses
Prinzip im soziokratischen Staat verworfen wird. Was mir möglich erscheint, ist, daß die
Regierung einmal zustimmen, ja, vielleicht sogar fördern wird, daß ganz von unten an ein
Beginn gemacht werden kann mit dem soziokratischem System. Und zwar auf zweierlei Weise:
sowohl geographisch (also in Beziehung auf die anwesenden Nachbarschaften) als funktionell
(auf Grund der verschiedenen Betriebe und Berufe). Es wird lediglich auf Grund von
Erfahrung, Übung und Erziehung möglich sein, die Kunst von gemeinsam-überlegen und
gemeinsame-Absprachen-machen, zu erlernen. Ich selbst habe ein Bild von einer zukünftigen
soziokratischen Ordnung in der ganzen Gemeinschaft: Ich kann mir vorstellen, daß z.B. 40
Nachbarschaften von jeweils ca. 150 Einwohnern, in Bezirke von ca.
6000 Einwohnern vereinigd werden; diese wiederum gehören zu Distrikten von
ungefähr 240.000 Seelen, von denen 40 Abgeordnete aus allen Distrikten zu einem ordnenden
Kollegium (fürs ganze Land) gesandt werden. Ich könnte mir sogar vorstellen, daß
dies System als Lösung und Musterbeispiel gilt für andere Kontinente, ja, selbst für
die ganze Menschheit. Denn ich bin noch immer fest davon überzeugt, daß das Problem der
Gemeinschaftsordnung nur dan zu lösen ist, wenn die ganze Menschheit als eine Einheit
gesehen wird.
13. Ich bin mir zutiefst davon bewusst, daß Anwendung und Handhabung
des soziokratischen Grundsatzes in größerem Maße nur dann möglich sein wird, wenn
genügend Einsicht und Vertrauen Epoche machen. Es ist ein erster Versuch hierin, daß ich
mich entschlossen habe, obrige Gedanken an meine Mitmenschen vorzulegen.
UMSCHREIBUNG DES SOZIOKRATISCHEN SYSTEMS
14. Wir sollten uns allererst Klarheit über das eigentliche Problem
verschaffen: es geht darum, daß eine Gruppe Leute sichselbst dazu zwingt, um
eine Ordnung ins Leben zu rufen, in der sich alle Mitglieder fügen können. Es gibt nicht
länger die Einzelperson, die diktatorische Befehle gibt, denen man ohne weiteres folgen
soll. Auch gibt es keine Regierung mehr, die durch eine Stimmenmehrheit gewählt worden
ist. Die Gruppe muß erst selber zu einem Beschluß, einer Absprache gekommen sein, mit
der vorgefaßten Meinung, daß sich auch jeder Einzelne an diese Absprachen halten wird.
Ich habe dies: Selbstdiszipline der Gruppe. Man kann es vergleichen mit der
Selbstdisziplin des Einzelmenschen, der gelernt hat, Forderungen an sichselbst zu stellen
und diesen zu gehorchen.
15. Es gibt einige Grundregeln, die durch jede Gruppe hingenommen
werden müssen, sei es klein oder groß, die auf diese Weise arbeiten wollen:
1. Es muß versucht werden die Interessen eines jeden
Individuen oder jeder Gruppe in gleicher Weise zu wahren.
2. Geht der Belang des Einzelnen gegen die
Belange des Ganzen, dann gehen letztere vor.
3. Auf jedem Gebiet muß nach Lösungen gesucht werden, die für alle
befriedigend sind. Das heißt, das nur gehandelt werden kann, wenn eine Übereinstimmung
statt gefunden hat.
4. Man muß sich an die abgemachten Absprachen, die man selber gemacht
hat, oder die durch Vertrauenspersonen gemacht worden sind, halten, solange sie von Kraft
sind.
Einige Erläuterung in Bezug auf hieroben sind wahrscheinlich
angebracht. Der erste Punkt ist im eigentliche Sinne der wichtigste:
Sub. 1
16. Die wesentliche Sorge des Menschen für seine Mitmenschen, das
natürliche Interesse deren wirklicher Belange, ist nichts anderes als die Liebe Deines
Nächsten, sowie es im Evangelium geschrieben steht. Es wurde bereits erwähnt: Dort, wo
die Sorge um den Anderen, die aufrichtige Anteilnahme im Bezug auf die Belange Anderer,
die Liebe besteht, wird eine Gesinnung entstehen, in der wirkliche Harmonie möglich ist.
Ohne eine solche Grundlage wird eine soziokratische Orndnung nicht möglich sein. Wo eine
derartige Gesinnung entsteht, zeigt sich, daß Menschenkinder aus allen Windrichtungen mit
den verschiedensten Auffassungen, Überzeugungen, Charakter, Hintergrund und Alter, im
Stande sind, zusammen zu arbeiten und gemeinsam Lösungen zu finden für die Probleme
ihrer Gemeinschaft. Es hat sich gezeigt, daß selbst in sehr schwierigen Situationen, in
denen anfangs eine Lösung unmöglich schien, diese schließlich doch gefunden wurde. Aus
Erfahrung wissen wir, daß manchmal Fehler gemacht werden, doch bei einer normalen
Entwicklung in der Gemeinschaft und nach einiger Übung in der Kunst der Zusammenarbeit,
sollte die Arbeitsweise mehr und mehr vollkommen angewendet werden.
Sub. 2
17. Wenn die ersten Vorraussetzungen eingehalten werden, braucht man
die Zurücksetzung der Belange des Einzelnen beim Belang der Allgemeinheit nicht mehr
aufzuerlegen, doch sollte es ganz selbstverständlich durch die Individuen akzeptiert
werden, ja, selbst erwünscht.
Sub. 3
18. Der dritte Punkt kann zu ernsten Folgen führen. Als erstes, daß
eine Gruppe, die in einem bestimmten Fall keine Übereinstimmung im Bezug der Ausführung
eines Planes, erreicht, verurteilt ist zu Inaktivität, also scheitert am
Nichtstun. Im Grunde ist das nichts Neues, denn auch in der parlamentarische Demokratie
kann oft nicht gehandelt werden, weil die Stimmen streiken, oder weil die
Mehrheit so schwach ist, daß sie nichts ausrichten können . Bei der soziokratischen
Arbeitsweise wird ein derartiger Zustand jedoch jeden einzelnen der Mitglieder der Gruppe
anspornen zur Suche nach einem Ausweg, möglicherweise in der Form ganz anderer Mittel und
Wege. Auf jeden Fall so, daß sich alle darin finden können. Während bei der
parlamentarischen Demokratie bei so einer Angelegenheit die Unterschiede erst recht
ziemlich scharf betont werden und die Kluft heftiger denn je wird, sollte gerade dann bei
der soziokratischen Ordnung ein gemeinschaftliches Suchen entstehen, wodurch der
Gemeinschaftssinn eher verstärkt wird. Wohl zu verstehen, wenn man weiß, daß man
tatsächlich Übereinstimmung erreichen muß.
19. Etwas muß hier jedoch hinzugefügt werden: Wenn man keine
Übereinstimmung im Bezug auf eine gemeinsame Aktion erreichen kann, wird dies meistens
bedeuten, daß die bestehende Situation vorläufig beständig bleibt. Daraus könnte man
schließen, daß auf diese Art und Weise Konservatismus und Reaktion leicht in die Hand
gespielt wird und daß wirklicher Fortschritt unmöglich scheint. Meine Erfahrung hingegen
hat mir gezeigt, daß das Gegenteil wahr ist. Das gegenseitige Vertrauen, von dem das
soziokratische System stillschweigend ausgeht, führt unvermeidlich zu Fortschritten.
Diese werden ansehnlich größer sein, wenn alle im Einklang stehen, anstatt wenn ein Teil
der Gemeinschaft mehr erreichen will, doch durch die Opposition Steine in den Weg gelegt
bekommt. In so einem Fall wird nämlich ein großer Teil der Energie beider Parteien
verbraucht für die Neutralisierung gegenseitiger Aktivitäten.
20. Weiter: Wenn es darum geht daß die Gruppe in einem Kollektiv
vertreten wird, bestehend aus den Abgeordneten einiger übereinstimmender Gruppen, kann
nur ein Vertreter gesandt werden, wenn er das vollständige Vertrauen von allen hat.
Scheint dies unmöglich, dann wird die Gruppe in dem höheren Kollektiv nicht vertreten,
und werden die Interessen dieser Gruppe vorläufig durch die Vertreter anderer Gruppen
gewahrt werden müssen. Diese Beherzigung sollte, laut den ersten Grundregeln, vollkommen
wohlwollend sein. Doch ist es für so eine Gruppe natürlich wünschenswert, einen eigenen
Vertreter zu haben. Auch hier ist die dritte Grundregel ein starker Sporn, um Einigkeit zu
erlangen. Die praktische Anwendung lehrt uns jedoch, daß, wenn eine Abordnung ohne Macht,
doch voll Vertrauen ist, das Finden einer passenden Person kein Grund für unangenehme
Gefühle ist und meistens mühelos vonstatten geht.
Sub.4
21. Die vierte Grundstellung besagt, daß, wenn Übereinstimmung
erreicht wird, die Absprache in Kraft tritt und bindend ist für alle, die sie gemacht
haben, auch im Falle eines Kollektivs höherer Ordnung für diejenigen, die die Gruppe als
Vertrauenspersonen abgeordnet haben. Es besteht die Gefahr in der Tatsache, daß sich alle
auch an die Absprachen halten müssen, die durch die Vertrauensperson in so einem höheren
Kollektiv gemacht worden sind, an denen man nur indirekt Einfluß bei der Wahl gehabt hat.
Diese Gefahr besteht zweifellos bei allen gestaffelten Wahlen, insbesondere
bei den parlamentarischen Systemen. Man befürwortet denn auch immer das direkte wählen
des man in the street der Zentrale, die besetzt ist mit größter Macht
bekleideter Funktionären. Demgegenüber steht die Tatsache, daß solche Wahlen bei den
meisten auf sehr oberflächliche Grundschläge beruht, während, wie oben angewiesen
wurde, leicht allerlei Faktoren mitspielen. Auf der anderen Seite entsteht ein wesentlich
anderer Zustand, wenn sowie es bei der Soziokration der Fall ist lediglich
Absprachen gemacht werden, mit denen alle einverstanden sind.
22. Die Erfahrung hat gelernt, daß eine Gruppe, die auf diese Weise
arbeiten will, eine bestimmte Größenordnung haben muß. Eine zu kleine Gruppe würde
leicht subjektive Fragen anführen. Die Gruppe muß eine bestimmte Anzahl Mitglieder
haben, wenn das persönliche Element weniger schwerwiegend sein soll, im Vergleich zu den
objektiven Forderungen der Probleme, die in der ganzheitlichen Gruppe leben. Wenn die
Gruppe zu groß ist, wird diese schwieriger zu hantieren sein: es wird lästig sein, die Ruhe zu bewahren; zuviele wollen Gedanken über ein
Thema äußern. Kurz gesagt, das Ganze wird schwer und unhandelbar. Bei Besprechungen
über größere Richtlinien und allgemeine prinzipielle Themen ist eine Gruppe von
ungefähr 40 Personen anzubefehlen. Geht es um die Ausarbeitung von Absprachen der
Körperschaft, dann ist eine tägliche Aufsicht oder Kommission notwendig. Eine Gruppe von
drei bis fünf, höchstens sieben Personen wäre am besten.
23. Die Arbeit von so einer täglichen Aufsicht oder Kommission ist
eigenlich nichts neues. Wenn wir die zahllosen Kommissionen und Verwaltungen untersuchen
könnten, würden wir ungezweifelt merken, daß dort, wo es am
besten läuft, nahezu nicht gewählt wird. Sie arbeiten schon auf Basis von
Übereinstimmung. Wenn in derartigen kleinen Kollektiven gewählt werden muß, bedeutet
das oftmals, daß die Stimmung nicht gut ist. Merkwürdig in diesem Verband ist es, daß
schon jetzt in vielen wichtigen Räten das Erzielen von Übereinstimmung nicht nur Brauch,
ja, selbst erforderlich geworden ist. Interessante Vorbilder sind ab und zu bekannt
geworden. In dieser Beziehung ist es bemerkenswert, daß in dem Pakt des Völkerbundes
eine Übereinstimmung erhoben wurde. Daß dies scheiterte, sollte kein Wunder sein, denn
soziokratische Ordnung kann nur nach und nach und von unten an erlangt werden,
und nicht von oben auferlegt werden.
24. Außerordentlich wichtig bei der Ausführung der soziokratischen
Ordnung durch Besprechung von ungefähr 40 Personen ist natürlich die Leitung. Es ist
tatsächlich wahr, daß von dem Leiter bei so einer Besprechung sehr viel abhängt.
Oftmals ist es selbst so, daß, wenn niemand eine Besprechung gut leiten kann, nicht nur
wenig sinnvolle Arbeit verrichtet wird, sondern daß auch kaum eine Übereinstimmung
erreicht werden kann. Es geht hier wirklich um eine bestimmte Technik, die angelernt
werden muß, will man gute Resultate erreichen. Dies ist eine der wichtigsten Einzelheiten
der Erziehung zur Soziokration, über die später mehr gesagt werden wird.
DIE NEUE GEMEINSCHAFT
25. Die Frage ist nun, wie die soziokratische Arbeitsweise im
regulieren Gemeinschaftsleben unseres Landes angewendet werden kann. Erst müßte eine Art
Umkreisbesprechung von vierzig Familienvertretern zustande kommen.
Alleinstehende sollten selber kommen; die Familien werden durch eine Person, meist Vater
oder Mutter, vertreten. Diese Nachbarschaftsbesprechung vereinigt Leute, die
dicht beiander in der Nähe wohnen, und die darum am leichtesten zusammen kommen, um die
Belange der Umgebung zu besprechen. In den Städten kennen Nachbarn einander kaum oder
garnicht. Es wäre nützlich, wenn wir durch die Nachbarschaftsbesprechung
mehr oder weniger gezwungen werden, uns für die Mitmenschen in nächster Umgebung zu
interessieren. Auf dem Lande wohnen Nachbarn oftmals weiter von einander entfernt, trotz
dessen ist der Gemeinschaftssinn dort meistens besser wie in den Städten. Bei einer
Nachbarschaftsbesprechungsollten circa 150 Personen, inklusiv Kinder, anwesend
sein. Jede solche Besprechung, in der es gelingt, übereinstimmend einen
Vertreter zu finden, wäre dann eine Basis für eine Bezirksbesprechung von
circa 6000 Personen.
26. Im allgemeinen könnte man behaupten, daß, je größer das Gebiet
ist, über die die Besprechung dirigiert, je weniger frequent die Besprechung
zusammen kommen wird: Nachbarn nehmen, wenn nötig, selber Kontakt miteinander auf.
Bezirksorganisatoren sollten ein oder zweimal im Monat zusammen kommen. Die Vertreter von
circa 40 Bezirken formen eine Distriktsbesprechung, die über durchschnittlich
240.000 Personen regelend auftreten. Amsterdam würde zum Beispiel eine vierzählige
Distriktsbesprechung formen, für Utrecht mit seinen umliegenden Dörfern wäre eine
wahrscheinlich ausreichend. All unsere 9 Miljonen Einwohner könnten ungefähr 40
Distrikte umfassen. In der Landbesprechung werden also die Belange aller 40
Distrikte durch die Distriktsvertreter angeführt, angenommen, daß jeder Bezirk eine
Vertrauensperson hat anweisen können. Wir werden uns an den Gedanken gewöhnen müssen,
daß ein Abgeordneter im wesentlichen das vollste Vertrauen der ganzen Gruppe hat. Wir
sind so daran gewöhnt, an einen Abgeordneten zu denken, der durch die Mehrheit als
Vertreter angestellt worden ist, auch wenn eine Minderheit kein Vertrauen in ihn oder sie
hat. Es ist eine wesentliche Voraussetzung für die soziokratische Arbeitsweise, daß
Vertrauenspersonen auch wirklich das vollste Vertrauen aller Mitglieder besitzen. Nur dann
ist es möglich, flott und zweckmäßig zu handeln.
27. Wie groß das Bedürfnis nach
ebensolchen allgemein-vertrauten lokalen Führungskräften ist, haben wir oftmals
wahrgenommen. Wenn wir von Korruption und Mißständen auf allerlei Gebieten hörten,
fragten wir uns, wie würde es sein, wenn wir Vertrauenspersonen hätten, denen wir
derartige Angelegenheiten vorlegen könnten. Wenn es Vertrauenspersonen gäbe, die
allgemeine Prestige besäßen, ja, selbst durch Alle spontan und ganz natürlich gehorsam
sein würden, wenn ein Notzustand dies verlangen würde.
28. Gerade dort, wo die ganze soziokratische Ordnung auf Vertrauen
beruht, ist es keine Hürde, wenn neben den soeben genannten Vertretern mit ihrer
Nachbarschafts-, Bezirks-, Distrikts- und Landesregierung, die wir die geographische
Vertretung nennen, ein zweites System von Vertretern gebildet wird, nämlich die
funktionelle Vertretung. Wir wollen das Wort Kooperation lieber nicht
gebrauchen, da es einen unangenehmen Klang für uns bekommen hat durch seine Assoziation
mit all den Schrecken der letzten Jahre; doch der Gedanke an eine funktionelle Vertretung
gefällt mir ganz gut. Übrigens stammt dieser Gedanke nicht vom National-Sozialismus, er
wurde schon viel eher in ganz anderen Kreisen propagiert. Auch die verschiedenen
Industrien und Berufe müssen mit einer systematischen Vertretung Abgeordneter teilnehmen
an primären, sekundären, und wenn nötig, tertiären Besprechungen, und die
Vertrauenspersonen der verschiedenen Kreise von Arbeitern auf allen Gebieten müßen stets
verfügbar sein, um ihre fachkundigen Empfehlungen an die Regierung zu geben, neben den
Ratschlägen der soeben genannten Abgeordneten.
29. Ich gebrauchte das Wort Regierung. Ich habe nicht die
Absicht, einen Plan zu machen, nach dem ein soziokratischer Weg gefolgt wird. Ich sehe es
nämlich so, daß wir ausgehen müssen von der wirklichen Situation, sowie sie nun ist. Es
gibt eine Regierung, die die Macht hat und die diese Macht ausführt, um von oben herab so
gut wie möglich die Ordnung zu bewahren. Diese Regelung von oben ist also als erstes da.
Sie ist immer als Erste da. Immer hat jemand oder hat eine Gruppe die Macht in Händen,
und nur, wenn die zentrale Macht es will, daß von unten an ein demokratisches
Institut geformt wird, und die Art und Weise davon, die zentrale Macht die Veränderung beurteilt oder/und zuläßt. Wie ich bereits in
einem kurzem Stück erwähnte, können wir dankbar sein, daß die Regierung, die jetzt an
der Macht ist, den ausgesprochenen Wunsch hat, wieder zu einer wesentlichen Demokratie zu
kommen, in dem Sinne, daß die Stimme des Volkes wieder gehört werden soll; daß wir
Einzelpersonen also Mitverantwortlichkeit tragen sollen in der Ordnung des
Gemeinschaftsleben. Kurz gesagt, daß die Freiheit wieder eintritt. Darum hat es wenig
Sinn, um nun zu verkündigen, wie eine Regierung geformt werden sollte. Wir müssen von
der Situation ausgehen, wie sie nun ist, und das Einzige, was möglich sein wird, ist,
daß mit voller Einstimmung der Regierung ein Beginn gemacht werden kann mit
soziokratischer Arbeit, ganz von unten an, also vorläufig nur durch die
Bildung von Nachbarschaftsbesprechungen. Wir Menschen müssen einfach leben,
unsere gemeinsamen Belange miteinander besprechen, und würdevoll nach Übereinstimmung
streben, und dies kann am besten in solchen lokalen Besprechungen. Erst nachdem wir
gesehen haben, wie verzwickt dies ist, und nach häufigen Irrtümern und Fehlschlüssen in
der Ausführung dieser Kunst, sollen auch Bezirksbesprechungen eingeführt werden. Die
Empfehlungen der Leiter solcher Besprechungen könnten schon bei der herkömlichen
Einrichtung der Gemeindeverwaltung von großem Wert sein. Ebenso sollte dies später in
zunehmendem Maße bei den Bezirksvertretern der Fall sein.
30. Die soziokratische Arbeitsweise wird sich selbst beweisen müssen
durch ihre Zweckmäßigkeit. Wenn der Staat genügend Vertrauen hat, um die Ausführung
von Umkreisbesprechungen möglich zu machen, ja vielleicht sogar zu fördern, wird das System seine vielen Möglichkeiten zeigen und
wird das Vertrauen sowohl beim Staat als auch bei den Bürgern zunehmen. Ich kann mir so
vorstellen, daß den Vertrauten der Besprechungen, zu einem bestimmten
Zeitpunkt Teilnahme an Gemeindeversammlungen zugelassen wird. Diese Männer und Frauen
sollten jedoch nicht an Stimmabgaben teilnehmen, da die Soziokration nicht an derartige
Wahlen glaubt, doch wird ihnen gestattet, einen zentralen Platz zwischen den
linken und rechten Parteien einzunehmen. Natürlich wäre es nach
einiger Zeit wünschenswert, wenn man sie in vorliegenden Fällen um Rat fragen würden,
wenn diese in den vorigen Umkreisbesprechungen bereits erwägt worden sind, weil doch in
solchen Besprechungen nach für alle befriedigende Lösungen gesucht wurde. Auch ist es
denkbar, daß, wenn das Vertrauen im Laufe der Zeit immer mehr zunimmt, die Ausführung
bestimmter Angelegenheiten der Besprechungen übertragen werden, und daß ihnen dafür die
nötigen Gelder gegeben werden. Nur dann, wenn nach und nach das Vertrauen in das neue
System überall wächst, könnte die Einführung über größere Gebiete ausgebreitet
werden. Nur die Besprechungen, in denen es gelingt, eine Vertrauensperson an zu weisen,
sollten also in den parlamentär-demokratischen Ausschüssen gehört werden
können. Dort, wo der Geist nicht gut war, bleibt man solange unvertreten. Auf diese Weise
schalten sie sich selber aus, und sollten sich demnach den Anweisungen anderer fügen
müssen.
31. Fragt man, ob das Beiwohnen von Besprechungen verpflichtet werden
soll, dann antworte ich, daß das nicht nötig und auch nicht erstrebenswert ist. Man soll
vonselber kommen, wenn man weiß, daß man sich an die Absprachen, die gemacht worden
sind, zu halten hat. Nur die gleichgültigen werden wegbleiben, und die können ruhig
wegbleiben!
32. Findet man eine Entwicklung in diesem Sinne fantastisch? Dann
sollte man bedenken, daß die Einrichtung der Gemeinschaftsordnung, sowie wir sie bisher
gekannt haben, jedenfalls in gewissem Sinne, zu einer unglückseligen Katastrophe der
heutigen Zeit geführt hat. Wir sollten mit Sicherheit auf eine wesentlich andere Basis
bauen müssen, wenn der Zustand wirklich verbessert werden soll. Bei der Erwägung einer
Möglichkeit für eine Ordnung auf soziokratischem Grundschlag steht auf jeden Fall
folgendes fest, und zwar, daß so etwas gänzlich undenkbar ist, wenn es nicht
zusammengeht mit, und getragen wird durch eine bewusste Erziehung zur soziokratischen
Zusammenarbeit von Jung und Alt. Hierüber wollen wir denn nun auch noch nachdenken.
33. Zum Schluss wollen wir noch eben zurückkommen auf das System der
Vertreter durch Abgeordnete. Unsere Aufmerksamkeit ging in erster Linie aus nach einer
Regierung im eigenen Land. Das große Problem der Gemeinschaftsordnung wird jedoch niemals
auf nationaler Basis gelöst werden können. Wohl kann es
einer Landesregierung, informiert durch die geographische und funktionelle Vertretung,
gelingen, eine gute Regelung zu schaffen und zu unterhalten, sodaß Ordnung und Ruhe,
Wohlfahrt und Glück, möglich sind. Es sollte jedoch deutlich sein, daß es viele
Probleme geben wird, die nicht innerhalb der nationalen Grenzen, gelöst werden können.
Jedes Land, ist, wie wir wissen, abhängig von den Grundstoffen und Produkten, die durch
andere Länder geliefert werden müssen. Somit ist es unvermeidlich, daß das System der
Abgeordneten und Vertreter über den ganzen Kontinent ausgebreitet werden muß. Eine
Kontinentsbesprechung muß dann die Angelegenheiten der betreffenden Erdteile
regeln. Die gegenwärtige Technik in Bezug auf Kommunikation, Transport und Organisation
kann hierbei sehr behilflich sein.
34. Letzten Endes muß ebenso eine Weltbesprechung die
Vertreter der Kontinente vereinigen, um auf diese Weise zu einer vernünftigen Verteilung
der für die ganze Menschheit zur Verfügung stehenden Grundstoffe und Produkte, zu
kommen. Solange alles durch Angst und Mißtrauen beherrscht wird, ist dieses große
Weltproblem selbstverständlich unauflösbar. Wenn das Vertrauen zunimmt und die Angst
verschwindet, kann das Problem jedoch proportionell zurückgebracht werden, daß selbst
ein Kind es lösen könnte. Alles hängt ab von dem bahnbrechendem Geist unter den
Menschen. Möge es so kommen, daß sich nach langen Ewigkeiten von Angst, Mißtrauen und
Haß, stets mehr ein Geist von Versöhnung und gegenseitiges Vertrauen verbreiten möge.
Ich glaube, daß die bewusste Übung der Kunst von
soziokratischer Ordnung en derselben Erziehung dazu, die sichersten Wege sind, welche die
Menschheit dichter bei einer angemessenen Regelung der Weltprobleme bringt.
Vernunftgemäßige
Ordnung der Menschengemeinschaft
Bilthoven, 5 Mai 1945, Kees Boeke
Published with permission of
Mrs B.C.Boeke |