Wiederentdeckung
seiner Wirklichkeit
In 1938 entdeckte Lady Raglan in England einen
komischen Männerkopf an der Außenseite einer Kirche. Das Besondere daran war daß dieser
Kopf ganz in Blättern gewickelt war. Letztere kamen auch aus seinem Mund. Der Ausdruck
seines Gesichtes umschrieb sie als ziemlich traurig.
Sie wunderte sich wo dieser Kopf herkam. Das
erste was Ihr einfiel war daß es womöglich etwas mit den englischen Bräuchen rundum den
Maibaum zu tun hat. Bis heute gibt es in England noch verschiedene Feste die aus der
tiefen Vergangenheit dort aufbewahrt sind. Sie alle haben mit Fruchtbarkeit zu tun.
Also taufte Lady Raglan ihn "Grüner Mann"
als Symbol der Vegetation, die sich jährlich erneuert. Nach Ihrer Veröffentlichung
stellte sich heraus, daß es in England unzählige solcher Köpfe gibt. Inzwischen sind
das zehntausende! Das Besondere daran ist, daß sie - obwohl deutlich
"heidnisch" geprägt - hauptsächlich in und auf Kirchen zu finden sind. Das
fing um 1200 an.
Inzwischen haben sich mehrere Autoren bemüht mehr
Klarheit in der Sache zu bringen. Zusammengefaßt gibt es die Grüne Männer überall in
Europa, ins Besondere in England, Frankreich, Spanien, Portugal, der Benelux, Schweden
und.....Deutschland. Es stellt sich inzwischen heraus, daß sie eine sehr lange Tradition
haben. Tatsächlich verkörpern sie die alte prehistorische Vegetationsgötter*, etwas was
nicht nur im Nahen Osten (Catal Hüyük, Sumerien, Ägypten, Kanaan, Griechenland, Rom),
sondern auch bei den Kelten seinen Höhepunkt fand.
* Also zB die Shamane des "Hohlen
Felses" bei Schelklingen in Schwaben, wo vor kurzem die älteste MutterGöttinfigur
der Welt (40.000 Jahre alt) gefunden worden ist!
Von Anfang an betrachteten die Menschen die Mutter
als Mittelpunkt der Schöpfung. Von ihr ging alles aus. Das war ein Geheimnis, denn die
Beziehung zwischen Menstruation, Schwangerschaft und Geburt einerseits und Befruchtung
andererseits war unbekannt. Außerdem waren dieselben Phänomenen auch in der Natur zu
betrachten. Die Nacht war Mutter, der Mond war Mutter und die Erde war Mutter. Alles was
sie gebärt, kehrt auch zu ihr zurück. Sie ist das Mysterium des Lebens schlechthin*.
* Inzwischen nehmen seriöse
Veröffentlichungen über die Kosmische Mutter als Letztendliche Wirklichkeit auch in
Deutschland zu. Nach dem Eranos Jahrbuch 1938 des C.G.Junginstituts: "Vorträge über
Gestalt und Kult der "Großen Mutter" folgte das Standardwerk des E.Neumann
"Die Große Mutter" in 1974 (Walter Verlag). Das Buch des F.Baumann "Der
Kult der Großen Mutter" wurde 1984 von dem BR ausgestrahlt, gefolgt von einer
Radiosendung über das gleiche Thema. Von H.Böttcher stammt "Die Große
Mutter", 1968 Econ Verlang, während H.Uhlig "Am Anfang war Gott eine
Göttin" schrieb (1992 Bastei-Lubbe)
Dies wird "Gesetz des Universums genannt".
Kurz definiert heißt es, daß das ganze Leben von "Sterben, Wiedergeburt und
Leben" regiert wird*. Ursprünglich war das auf die Kosmische Gebärmutter bezogen.
In Ihrer Leere stirbt alles, erneuert sich ständig und ist Teil Ihres Lebensnetzes. In
der Mythologie war Sie es die in die Unterwelt hinuntergeht (Inanna) um wiedergeboren zu
werden. Später wurde diese Funktion den Männern übertragen.
* Wie heutzutage noch im Hinduismus
Realität ist. Auch besteht die Kosmische Mutter dort noch, obwohl jetzt drei männliche
Götter (Shiva, Vishnu und Brahma) das Gesetz verkörpern.
So entstanden die "Vegetationsgötter". Sie
markierten den Anfang einer langen Tradition von "sterbenden und
wiederauferstandenen" Götter. Sie umfaßt Tammuz, Osiris, Baal, Attis, Dionysos und
auch......Christus. Sie taten das nicht auf eigene Faust, sondern immer "im
Auftrag" der Kosmischen Mutter, die "sie gesandt hatte". Das heißt: jedes
Jahr wurden sie aus der dunklen Gebärmutter geboren (Frühling) und kehrten darin zurück
(Herbst).
Diese Weisheit kommt überein mit der
tiefstmöglichen spirituellen Einsicht. Nur sehr wenige Mystiker haben das erfahren. Es
ist die Erkenntnis, daß das göttliche Licht aus der Dunkelheit hervorkommt, so zu sagen
aus ihr geboren wird. Man findet es im Neuplatonismus (Dionysos Areopagita), Meister
Eckhart und Johannes vom Kreuz ("Die Dunkelheit gibt mir all das Licht das ich
brauche"). "Die Dunkelheit geht dem Licht voraus" (Inskription auf dem
Altar im Kathedral von Salerno). Es ist der Kernstück des Buddhismus, wobei die
BuddhaNatur aus dem Nichts geboren wird.
Die Tatsache, daß Christus angeblich Teil
dieser Tradition war (und ist) hat die Kirche immer vehement abgewiesen. Ihr Anliegen war
Christus als ein Neubeginn das alles Vorherige in den Schatten stellt, vorzustellen.
Deswegen hat sie alles getan um alle Spuren die nach der alten (Mutter) Religion führen
konnten, auszuwischen. Das ist ihr nicht ganz gelungen. Obwohl die Frauen und die
Weiblichkeit zutiefst veketzert wurden, war die Kirche durch das Volk (431, Ephese)
gezwungen Maria als "MutterGottes" anzuerkennen. Der erste Schritt: die
Wiederherstellung der Kosmischen Mutter war ein Erfolg (obwohl nur mangelhaft). Nun
sehnten sich die Menschen nach der Rehabilitation Ihrer Söhne....
Der Kirche war alles daran gelegen die
"heidnische" Vorstellungen und Bräuche zu vernichten oder - wenn nicht anderes
möglich - in "christlicher" Form - irgendwie zu "integrieren". Sie
wußte um die Popularität der Vegetationsgötter. Wie konnte es dann sein, daß sie sie
in ihren Kirchen zugelassen haben? War das nicht regelrechter Selbstmord? Im Gegenteil, es
war reine Kalkulation! Durch das machen von Zugeständnissen an das Volk, hoffte die
Kirche darauf, das die Menschen Christus als überlegener "Nachfolger" der alten
Götter akzeptieren konnten. In diesem Sinne soll zB die Aussprache der Hildegard von
Bingen - Jesus als "Grüner Mann", womit sie übrigens recht hatte!* -
verstanden werden.
* Die Grüne Männer sind nicht Teil
des Christentums, sondern umgekehrt: Christus ist ein Teil der alten Tradition. Es ist der
Beginn der Versöhnung des Christentums mit seinen Vorgängern. Siehe auch: T. Harpur
"Der heidnische Christus" und T.Freke & P.Gandy "The Jesus
Mysteries"
Daß sie in den Kirchen erscheinen konnten, war Teil
dieser "re-education" Kampagne. Die positive Einstellung der Bildhauer den
Grünen Männern gegenüber, wurde dabei in Kauf genommen. Man sollte die Gefühle der
Menschen nicht unnötig verletzen.....Letztendlich ging es darum ihre
Sympathie zu gewinnen. So konnte es sein, daß die verschiedene Grünen
Männer überall in Kirchen zu finden sind, daß sie außerdem die umfangreichste
menschliche Ausdrucksform in der mittelalterlichen Kunst darstellt. Es variiert von
unglaublicher Subtilität und Schönheit bis zu schillernsten Hoffnungslosigkeit und Wut.
Ist das ein Faktor ihrer Anziehungskraft? Sind wir heute übrigens - wo der Ernst des
globalen Aussichtslosigkeit immer deutlicher wird - nicht in einer vergleichbaren Lage?
Nehmen wir der Dom zu Regensburg als Beispiel. An der
Portalseite (West) gibt es einige Grüne Männer die eine ungeheure Kraft und Schönheit
ausstrahlen. Sie sind umgeben von üppiger Vegetation. Die Schöpfer haben sich nicht
gescheut ihre Vorbilder kompromißlos darzustellen. Zur gleichen Zeit sind die Grüne
Manner oft in untergeordneten Positionen aufgestellt. Favorit ist unter den Füßen von
Machthabern, die anscheinend eine große Freude daran empfinden. In Nürnberg befindet
sich ein Grüner Mann direkt unter der Statue von Christus, letztere triumphiert angeblich
wegen seines Sieges. Aber das Entgegengesezte ist auch überall zu finden. Im Münster von
Freiburg beweinen viele goldenen! Grüne Männer den Tod Christi, als sei Letztere ein
"Glaubensbruder" derselben und nicht umgekehrt
Es wird klar sein: mit den Grünen Männern ist ein
unbekannter Schatz "ausgegraben" worden. Sie tauchen auf zu einer Zeit, wo wir
ihre Symbolik dringend brauchen. Als Vertreter von "Tod und Wiedergeburt" halten
sie uns einen Spiegel vor. Im Gegensatz zu der Lehre der Kirche reicht es heute nicht mehr
daß ein "Stellvetreter" für uns stirbt. Wo wir alle unser Ego aufgeblasen
haben, sind wir diesmal selber dran. Wir alle sollen "sterben" (Ego) um aufs
Neue (als Neues Selbst) wiedergeboren zu werden. Erst dann wird Anhäufung auf den
verschiedenen Ebenen des Daseins abgebaut bzw entsteht die so ersehnte Balance innen und
außen. Dies als Bedingung für das retten der Erde. Dabei sind die Grüne Männer unser
großes Beispiel
Die Älteren haben dabei eine einzigartige Chance zur
"Wiedergutmachung". Sind sie es nicht gewesen, die sich kritiklos der
materiellen Sucht ergeben haben? Obwohl sie wußten - durch Veröffentlichungen in den
letzten 20 Jahren - daß Anhäufung von Geld und Besitz nicht glücklicher macht. Die
Erwachsene der heutigen Zeit wissen das auch. Nur stecken sie oft noch voll in der
"rat-race" drin. Sie machen sich vor, daß "sie keine andere Wahl
haben" als......letztendlich zu verrecken! Denn das ist was ihnen bevorsteht. Sucht
also den Vorbild des Grünen Mannes. Macht Pilgerreisen nach den verschiedenen Stätten wo
er zu finden ist. Tanke Mut, Weisheit und Kraft und steige aus. Die Jugendlichen zum
Schluß haben schon längst entdekt im welchen Zeichen diese Zeit steht. Sie sind dem
Verfall am stärksten ausgesetzt. Deswegen müssen sie ihre Angst und Wut ausleben in
Videogames voller Gewalt. Mein Rat: werde einen Grünen Mann oder Weise Frau* und setze
Deinen Wut in Taten zum Wohle des Ganzen um. Werde fruchtbar!
* Daß der Grüne Mann hier an erster
Stelle steht, hat damit zu tun daß es heutzutage die Männer sind, die an einer
(gefährlichen) Identitätsverlust leiden. Die Frauen werden von mir selbstverständlich
gleichermaßen geschätzt bzw ihre Probleme anerkannt. Siehe "Weise
Frauen"
Zusammenfassend ist der Grüne Mann zuerst das Symbol
der Ökologischen Wende. Als der "Gott mit den Blättern", das heißt als
Lichtwesen, verkörpert er die Hamonie von Geist und Natur. Er drückt die notwendige
Verbundenheit mit dem Ganzen aus. Als solches lädt er alle ein sich für eine nachhaltige
Zukunft einzusetzen. Er tut das jedoch nicht alleine. Seine Partnerin ist die Weise Frau.
Er schätzt ihre Sensitivität während sie seinen Mut bewundert. Er liegt den Akzent auf
"sterben und wiedergeboren werden" weil sie das Lebensnetz, also die Substanz
des Lebens verkörpert. Zusammen gehen sie ständig zurück zur Ursprung - zu der
Kosmischen Mutter - um sich dort erneuern zu lassen. Dieser Bund zwischen Ursprung und
einander schmiedet eine unverwüstbare Einheit. Deswegen werden Grüne Männer und Weise
Frauen auch Ursprüngliche ("Originals") genannt.
Für Deutschland bedeutet dies eine ungeheure Chance
ein neues spirituelles, psychologisches, kulturelles und ökologisches Muster bzw
Archetypus zu entdecken, entwickeln, praktizieren und feiern. Im Gegensatz zu England und
Frankreich ist unsere Erkenntnis neu. Es ist ein Vorteil, daß für uns alles noch frisch
ist*. Wir können erstmal rausgehen um die viele Schätze zu entdecken. Spontane
Pilgerfahrten zu zahllosen bekannten und unbekannten Orten können in Fahrt kommen. Von
Magdeburg bis Feiburg iB, von Köln bis Bamberg, von Marburg bis Markgröningen, von
Schweinfurt bis Brandenburg a.d. Havel! Zusammen mit den anderen Ländern können wir
einen neuen Impuls - mit globalen Auswirkungen - in die Welt bringen. Eine neue Chance
für Europa, von der Benedikt XV! gesagt hat, daß sie "tot" sei.... Wir werden
zeigen, daß dies nicht der Fall ist. Der Grüne Mann und die Weise Frau sind dagegen ein
Neubeginn auf allen Ebenen der Gesellschaft.
* Die Bombardierungen des Zweiten
Weltkriegs haben sehr viele Grüne Männer zerstört. Kirchen sind oft stark
"vereinfacht" wieder aufgebaut worden. In Wirklichkeit hatte es in Deutschland
noch viel mehr gegeben als es jetzt schon gibt. Lassen wir uns jetzt bemühen um die
Erhaltung aller Grünen Männer in Deutschland!
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